Corona-Virus - Arbeitsrecht 30.03.2020

Corona-Virus-Update (3) +++ Sozialschutz-Paket und Infektionsschutzgesetz-Änderung passieren Bundesrat +++ ab heute Entschädigung für von Schul- und Kita-Schließung betroffene Eltern möglich +++

Sehr geehrte Damen und Herren, 


wie zuletzt am 24.03.2020 angekündigt, informiere ich über den weiteren Verlauf der Bundesgesetzgebung zur Abfederung der Folgen der Corona-Virusepidemie. 


Der Deutsche Bundestag hat am 25.03.2020 mit dem Sozialschutz-Paket und der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die zuvor bereits angekündigten Milliardenhilfen für Wirtschaft und Bürger verabschiedet. Beide Gesetzesvorhaben passierten auch am Freitag, den 27.03.2020 den Bundesrat. Am gleichen Tag hat der Bundespräsident das Gesetzespaket unterschrieben. Am gleichen Tag wurden alle relevanten Gesetze und Verordnungen im Bundesanzeiger veröffentlicht, sodass die Vorschriften am 28.03.2020 in Kraft traten. 
Damit hat die Bundesregierung in einem enormen gesetzgeberischen Tempo nachhaltige, hoffentlich die Wirtschaft und die Bürger finanziell schützende Regelungen zustande gebracht, die bei aller Kritik über das zögerliche Verhalten der Bundesregierung bei Ausbruch der Corona-Epidemie in China im Januar und Anfang Februar nunmehr Respekt und Lob abfordert. 

Nachstehend will ich Sie speziell über die Entschädigungsregelungen für von Schul- und Kita-Schließung betroffene Eltern informieren, zumal sich im Verhältnis zu dem zuletzt am 24.03.2020 dargestellten Referentenentwurf der Bundesregierung noch einiges geändert hat. 



Lohnersatz wegen Schul- und Kita-Schließung


Die zuletzt im Update (2) beschriebene Entschädigungsregelung (Arbeitsrecht 24.03.2020) ist offenbar auf Grund der heftigen Kritik des DGB noch einmal, und zwar nachhaltig, verändert worden. Der Gesetzestext sieht nunmehr 


  • eine Entschädigung von 67 % des monatlichen Nettoeinkommens (maximal 2.016,00 €) für den betreuungspflichtigen erwerbstätigen Elternteil vor,
  • der belegen kann, ein oder mehrere Kinder unter 12 Jahren oder behinderte Kinder, die auf Hilfe angewiesen sind, betreuen zu müssen,
  • weil eine anderweitige Betreuung nicht sichergestellt werden kann und
  • zum Ausgleich für diese Zeit auch kein Gleitzeit- bzw. Überstundenguthaben verwendet werden kann;
  • ein Urlaubsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers muss nicht ausgeschöpft sein;
  • ein Entschädigungsanspruch besteht nicht, soweit die Einrichtung ohnehin wegen der Schulferien geschlossen würde;
  • der Entschädigungsanspruch wird für längstens 6 Wochen gewährt;
  • die Entschädigungsregelung ist bis zum 31.12.2020 befristet. 



Erläuterungen zu den Regelungen 


a) Wer ist anspruchsberechtigt?

Den Entschädigungsanspruch können erwerbstätige Sorgeberechtigte (Eltern) von Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder ältere Kinder, die behindert sind und deshalb auf Hilfe angewiesen sind, geltend machen. Als sorgeberechtigt gilt nach Gesetz derjenige, dem die Personensorge für ein Kind nach § 1631 BGB zusteht (ist einem Elternteil das Sorgerecht entzogen oder im Zuge einer Ehescheidung dieses allein auf das andere Elternteil übertragen worden, besteht kein Verdienstausfallanspruch!). 


Befindet sich das Kind in Vollzeitpflege in einem Haushalt von Pflegeeltern gemäß § 33 SGB VIII, steht der Entschädigungsanspruch nicht den Sorgeberechtigten, sondern den Pflegeeltern zu. 


b) keine alternative Betreuungsmöglichkeit

Nach der Gesetzesbegründung ist weitere Voraussetzung, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sichergestellt werden kann. Eine solche soll exemplarisch gegeben sein, wenn ein Anspruch auf sogenannte Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder der Schule besteht, weil das Elternteil zur Berufsgruppe der infrastrukturrelevanten Berufe zu zählen ist. Existiert also faktisch eine solche Notbetreuungsmöglichkeit, die das Elternteil aber nicht in Anspruch nimmt, besteht kein Entschädigungsanspruch. Als zumutbare Alternativbetreuung wird auch der Rückgriff auf den anderen Elternteil oder dazu bereite Familienmitglieder/Verwandte erwähnt, soweit diese nicht einer Risikogruppe in Bezug auf die Infektion oder übertragbare Krankheiten angehören, zu deren Verhinderung oder Verbreitung die Schulen/Kitas geschlossen wurden. 


c) IfSG-Entschädigung vs. Kurzarbeit

Ein Entschädigungsanspruch besteht dann nicht, wenn die Arbeitspflicht des betreuenden Elternteils infolge Kurzarbeit verkürzt oder aufgehoben ist. 


d) Betreuungspflicht und Homeoffice

Der Gesetzgeber nimmt offenbar an, dass die tatsächlich gegebene Möglichkeit, ortsflexibel im Homeoffice zu arbeiten, einem Entschädigungsanspruch entgegensteht, weil durch die Verbindung des Arbeitens im Haushalt eine Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden kann. Hier wird man sicherlich diskutieren müssen, wie es sich verhält, wenn der Arbeitnehmer bestimmte qualifizierte Aufgaben verrichten muss, an die ein hohes Maß an kognitiver Leistungsfähigkeit und Konzentration gebunden ist. Gleiches gilt bei der Erbringung von Arbeitspflichten, wenn mehrere Kinder zu betreuen sind. Grundsätzlich muss also auch die Nutzung des Homeoffice zumutbar sein. 


e) keine Entschädigung bei anderen gesetzlichen, tariflichen, betrieblichen Zahlungsregelungen 

Ein Entschädigungsanspruch besteht nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer bereits aus anderen rechtlichen Gründen einen Entgeltfortzahlungsanspruch hat, etwa bei eigener Arbeitsunfähigkeit, Betreuungspflicht des erkrankten minderjährigen Kindes verbunden mit Kinderkrankengeldanspruch, tariflichen oder betrieblichen Kompensationsregelungen oder der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Arbeitszeitguthaben. 


Die Inanspruchnahme von Arbeitszeitguthaben wird zwar nicht ausdrücklich im Gesetzestext, dafür aber in der Gesetzesbegründung erwähnt. 


f) IfSG-Entschädigung vs. Urlaub

Der ursprüngliche Referentenentwurf sah vor, dass der Urlaub des betroffenen Elternteils (vollständig) ausgeschöpft sein muss, bevor überhaupt ein Entschädigungsanspruch besteht. Dies stieß, wie wir im Update (2) berichteten, auf massive Kritik des DGB und führte offenbar dazu, dass weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung von der Notwendigkeit des Verbrauchs des Jahresurlaubs die Rede ist. Urlaub muss also nicht vorgreiflich verbraucht werden. 


g) Verdienstausfall

Der Gesetzgeber stellt in §§ 56 ff. IfSG auf den Nettoverdienstausfall im Kalendermonat ab. Deshalb muss mit der Beantragung der Entschädigung das Monatseinkommen des Arbeitnehmers dargelegt werden, das erzielt würde, wenn der Arbeitnehmer regulär seiner Arbeitspflicht nachgehen könnte. Insofern sind eine monatliche Soll-Lohnabrechnung und die tatsächliche Monatsabrechnung vorzulegen. Von der so ausgewiesenen Nettolohndifferenz zahlt der Staat 67 %. 


Zu beachten ist, dass anderweitige Lohnersatzleistungen, die für den Betreuungszeitraum arbeitgeberseitig gewährt werden, voll auf die Entschädigung angerechnet werden, sodass etwaige Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers verpuffen. 


h) IfSG-Entschädigung vs. Schulferien

Für den Entschädigungsanspruch ist ferner beachtlich, dass ein solcher nach der Lesart des Gesetzgebers dann nicht besteht, wenn die Schulen während der Schulferien ohnehin, also ohne behördliche Anordnung, geschlossen bleiben. Für den gegenwärtig bestehenden Zeitraum der angeordneten Schulschließung vom 17.03. bis 19.04.2020 hat dies zur Folge, dass die Zeit der Osterferien nicht entschädigungsrelevant ist, sofern nicht die jeweilige Schule für diese Zeit eine Ferienbetreuung vorgesehen hätte. 


i) Entschädigung längstens 6 Wochen

Der Entschädigungsanspruch ist auf maximal 6 Wochen begrenzt. Der Gesetzestext gibt keinen Aufschluss darüber, ob die Sechswochenfrist eine absolute Obergrenze darstellt, unabhängig davon, ob eine oder mehrere behördliche Schließungsanordnungen im Zeitraum bis zum 31.12.2020 erlassen werden oder ob für jeden Fall der behördlich angeordneten Schul- und Kita-Schließung ein Entschädigungsanspruch bis maximal 6 Wochen besteht. Die Gesetzesbegründung schweigt zu dieser Problematik, sodass aus meiner Sicht davon auszugehen ist, dass die Sechswochenfrist eine absolute Obergrenze darstellt und nicht für jeden Fall einer behördlich angeordneten Schul- und Kita-Schließung als Einzelfrist herangezogen werden kann. 


j) Antragstellung 

Der Entschädigungsantrag ist von dem Arbeitgeber binnen 3 Monaten, gerechnet ab Beginn der Kinderbetreuung, bei dem (für Thüringen) zuständigen 


Thüringer Landesverwaltungsamt, Referat 550-Gesundheitswesen
Jorge-Semprún-Platz 4
99723 Weimar 


zu stellen. 


Merkblatt - Bearbeitung von Entschädigungsanträgen gemäß §§ 56 und 57 Infektionsschutzgesetz (IfSG)


Hinweis:
Das im vorbenannten Link auffindbare Merkblatt erfasst nur Entschädigungsanträge für Personen, denen krankheitsbedingt ein behördliches Tätigkeitsverbot oder als Ansteckungsverdächtige eine behördliche Quarantäneauflage angeordnet wurde. Da die Entschädigungsregelungen aber analog laufen, gelten die Hinweise in dem Merkblatt aber auch für von Schul- und Kita-Schließung betroffene Arbeitnehmer. 


k) zeitlicher Geltungsbereich 

Bitte beachten Sie, dass die Änderungen zum Infektionsschutzgesetz, die die Entschädigungsansprüche bei Elternbetreuung begründen, erst am 28.03.2020 in Kraft getreten sind und damit der Zeitraum vom 17.03. bis 27.03.2020 nicht von einem Entschädigungsanspruch erfasst ist und damit erst ausgefallene Arbeitszeiten ab Montag, den 30.03.2020 (bei Wochenendarbeit auch 28.03. und 29.03.2020) entschädigungsbewährt sind und dass die Gesetzesregelung am 31.12.2020 regulär wieder außer Kraft tritt. 


Sollten sich im weiteren Verlauf der Corona-Krise Änderungen oder Ergänzungen dieser Gesetzesregelung ergeben, werde ich Sie darüber informieren. 


Haben Sie Fragen oder Beratungsbedarf, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.



mitgeteilt von 


Rechtsanwalt Michael Koch
Fachanwalt für Arbeitsrecht