Arbeitsrecht 17.01.2019

+++ Rolle rückwärts im Befristungsrecht +++ Verschärfung des Vorbeschäftigungsverbots +++ BVerfG kippt Dreijahresfrist des Vorbeschäftigungsverbots +++ BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018, 1 BvL 7/14 +++

Sehr geehrte Damen und Herren,


nachstehend informiere ich Sie über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die sich nachhaltig auf die Praxis der Befristung von Arbeitsverhältnisses auswirken wird.


Die Befristung von Arbeitsverhältnissen war seit dem Inkraftsetzen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes durch die rot-grüne Bundesregierung im Januar 2001 Gegenstand heftiger Debatten. Auch die Rechtsprechung arbeitete sich an den unterschiedlichen Fallgestaltungen ab. Als einfachstes Mittel der Befristung galt die kalendermäßige Befristung des § 14 Abs. 2 TzBfG. Danach konnte bis zu einer Höchstdauer von 2 Jahren das Arbeitsverhältnis befristet und bis zu dreimal innerhalb dieser zeitlichen Grenze verlängert werden. Damit hatten Arbeitgeber ein probates Mittel der längerfristigen Erprobung von Mitarbeitern und konnten außerdem flexibel auf Arbeitsbedarfsschwankungen reagieren. Zudem wurde über die Befristung der Arbeitsverträge das Kündigungsschutzgesetz mit seinen Restriktionen zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses umgangen.


Im Rahmen der praktischen Nutzung der kalendermäßigen Befristung für Arbeitsverhältnisse galt jedoch immer das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot. Danach durfte mit einem Arbeitnehmer ein zeitlich befristeter Arbeitsvertrag (ohne Sachgrund) nur dann geschlossen werden, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien zuvor noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes musste man das Vorbeschäftigungsverbot so verstehen, dass zu keiner Zeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer im Vorfeld des Arbeitsverhältnisses ein anderes Arbeitsverhältnis bestanden haben durfte, anderenfalls wäre die Möglichkeit der kalendermäßigen Befristung eines Arbeitsverhältnisses versperrt, selbst wenn das vorhergegangene Arbeitsverhältnis bereits mehrere Jahrzehnte zurück gelegen hätte.


Dieses Problem erkennend sprang das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2011 den Arbeitsvertragsparteien beiseite und entwickelte eine zeitliche Dimension des Vorbeschäftigungsverbots (sh. BAG, Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/097). Das BAG interpretierte in den Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine Art Karenzzeit von 3 Jahren hinein, wonach (nur) eine Beschäftigung innerhalb der letzten 3 Jahre vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages für die Befristung des Arbeitsverhältnisses schädlich wäre. Eine Beschäftigung in einem Zeitraum vor Beginn der Karenzfrist wäre für die nunmehr anstehende Befristung des Arbeitsvertrages nicht schädlich gewesen.


Diese Entscheidung wurde in der Personalpraxis mit einem positiven Echo aufgenommen, weil nach einer Karenzzeit von jeweils 3 Jahren Arbeitsverhältnisse zwischen den gleichen Vertragsparteien erneut befristet abgeschlossen werden konnten.


Die Entscheidung:


Das Bundesverfassungsgericht hat das nur auf 3 Jahre beschränkte Vorbeschäftigungsverbot, wie es das Bundesarbeitsgericht festgelegt hatte, aufgehoben. Der Wortlaut des Teilzeit- und Befristungsgesetzes würde für eine zeitliche Befristung des Vorbeschäftigungsverbotes keinerlei Anhalt bieten. Das Bundesarbeitsgericht würde also den gesetzlichen Rahmen des Gesetzes überschreiten, wenn es aus einem unbefristeten Vorbeschäftigungsverbot nur eine dreijährige Karenzzeit gestalten würde. Dieser proaktiven Rechtsgestaltung erteilte das Bundesverfassungsgericht eine klare Absage.


Auswirkungen:


Für die Personalpraxis hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nachhaltige Auswirkungen, weil Arbeitgeber, die auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur zeitlichen Karenzzeit von 3 Jahren vertrauten und mit Arbeitnehmern, die zwar bereits schon einmal (außerhalb der dreijährigen Karenzzeit) bei dem gleichen Arbeitgeber vorbeschäftigt waren, einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen dürfen. Solche Befristungen sind unwirksam. Die Arbeitsverträge müssen in unbefristete Arbeitsverhältnisse übergeleitet werden. Anders wäre es nur, wenn sich der Arbeitnehmer darauf nicht beruft (bekanntlich muss der Arbeitnehmer, dessen befristetes Arbeitsverhältnis endet, innerhalb von 3 Wochen nach dem Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses Entfristungsklage erheben).


Künftig ist bei dem Abschluss kalendermäßig befristeter Arbeitsverträge zu prüfen, ob mit dem Arbeitnehmer überhaupt schon einmal ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das gilt sowohl für lang zurückliegende Vorbeschäftigungszeiten wie auch für nur ganz kurzfristige Beschäftigungszeiten.


Das Bundesverfassungsgericht benennt zwar mögliche Ausnahmen von dem unbefristeten Vorbeschäftigungsverbot. Wann eine Vorbeschäftigung in diesem Sinne nun vorliegt, ist aber nach der Rechtsprechung völlig unklar. Es könnte sich herauskristallisieren, dass etwa geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder Werksstudentenarbeitsverhältnisse im Rahmen der Berufsqualifikation nicht als Vorbeschäftigung gelten. Entscheidend soll sein, dass die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers gänzlich andersartig gewesen ist. Hier muss das Personalwesen mit äußerster Vorsicht bei der Handhabung befristeter Arbeitsverträge agieren. So lange sich auf der Basis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes keine neue arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu einzelnen Fallgestaltungen entwickelt, sind jedenfalls befristete Beschäftigungen mit Arbeitnehmern, die bereits über eine irgendwie geartete Vorbeschäftigung verfügen, sanktionsbelastet.



Haben Sie zu diesen Fallgestaltungen Rückfragen oder Beratungsbedarf, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Sie erreichen Unterzeichnenden unter info@koch-boikat.de oder telefonisch unter 03631/434990 oder 0173/3513782.


mitgeteilt von



Rechtsanwalt Michael Koch

Fachanwalt für Arbeitsrecht